“Wer ein altes Haus kauft und nicht nur einmal streichen und einziehen möchte, der sollte Zeit mitbringen.” Christiane Specht Ist das normal oder liegt es daran, dass das Bauamt unterbesetzt ist? Jens Lütjen: Ja, ich glaube, es geht derzeit um Kapazitäten im Bauamt. Die Innenverdichtung wird in Bremen sehr stark priorisiert, Oberneuland gehört auch zum innerstädtischen Bereich. Und auch wenn ich nicht vom vergessenen Stadtteil sprechen möchte – schließlich hat der Supermarkt und das Feld die ein oder andere Fokussierung erhalten – ächzt die Stadt allein schon unter den Großprojekten wie Innenstadt und Überseestadt. Deswegen sollten wir ein bisschen Lobbyarbeit für den Stadtteil betreiben. Christiane Specht: Definitiv. Es ist im Bauamt immer schwierig – und gut, wenn man einen guten Draht hat. Christian Buse: Da muss man persönlich hin. Bettina Reipschläger: Wir haben gerade in der letzten Zeit festgestellt, dass es bei 70er/80er- Jahre-Häusern ein schmaler Grat ist, ob sie abgerissen werden oder nicht. Das hängt von der Ausnutzung des Grundstücks ab, von den Lagekriterien innerhalb Oberneulands. Je besser die Lage, umso anspruchsvoller die Kunden, da heißt es auch schneller, wir reißen ab, wenn wir Richtung Grundstückswertes kommen und bauen neu, weil die Häuser oft heute nicht mehr passende Grund- risse haben und natürlich die energetischen Anforderungen komplett anders sind. Oftmals ist die Sanierung auch so teuer, dass sich viele Interessenten damit beschäftigen, neu zu bauen. Jan-Peter Buse: Das neue Energieeinspargesetz, das seit August 2016 bindend ist, hat dazu beigetragen. Man kann diese Häuser fast nicht mehr wirtschaftlich sanieren. Die ganzen Dämmstoffe, die da drin sind … was die für einen Schaden verursacht haben in ihrer Herstellung, das holen sie in 100 Jahren nicht raus. Jens Lütjen: Ich habe so ein Gefühl, dass Oberneuland seit zwei drei Jahren im Aufbruch ist. In meinem Kopf sind das folgende Elemente: Der Tunnel: Er hat uns ein etwas anderes Selbstverständnis gegeben, was Erreichbarkeit betrifft. Das sind Orte wie das Flagman, Grand Central, das ist der Sportplatz. Das ist die Suche nach einer neuen emotionalen Mitte. Das ist auch der Mix aus „Ja, ich will diesen Winkel-Walmdach-Bungalow erhalten, er ist Zeitzeuge“, das ist „Ich will den nicht erhalten, ich möchte kubisch bauen“, das ist „Ich suche ein denkmalgeschütztes Haus“. 42 OBERNEULAND Also dieser Mix, diese Möglichkeiten machen Oberneuland interessant. Dann gibt es nach wie vor das Thema: gute Grundschule, gutes ÖG, Freizeitplus. Ich glaube, dass Oberneuland gerade wieder so diesen Mix findet, sein Selbstverständnis aus Urbanität, Einkaufsmöglichkeiten, emotionale Mitte. Es gibt ein paar neue Produkte im Bereich Reihen- haustypologien, die werden händeringend benötigt und auch gesucht. Das ist ein Problem mit Planungsrecht und auch Verdichtung – Mühlen- feld lässt grüßen. Insofern haben wir wieder eine ganz spannende Mischung, aber umso wichtiger ist es, dass der Sportplatz und die dortige Bebauung kommt und auch funktioniert, dass es auch eine emotionale Ergänzung wird. Christiane Specht: Aber Oberneuland muss noch ein bisschen was an seiner emotionalen Mitte machen. Guckt man sich Borgfeld im Vergleich an, dann ist das hier ehrlicherweise schiefgelaufen. Verlagere ich die emotionale Mitte auf den Sportplatz, dann ist für mich das Pferd von hinten aufgezäumt. Wir haben eine Mitte – eigentlich. Aber ich glaube, Oberneuland hat ein Problem, wenn es versucht, seine emotionale Mitte aus dem Bereich Kirche, Dampfmühle, Mühlenfeldstraße zu verlagern. Das ist ja schon mit der alten Schule und den teilweise sehr schönen Häusern in der Mühlen- feldstraße ein hübsches Ensemble. Die Mitte befindet sich, meiner Meinung nach, zwischen Flagman, Kirche Mühlenfeldstraße und Mühle – dazu noch eine Festwiese, was will man mehr? Würde man im Parkbereich hinter der Grundschule die Schule sinnvoll erweitern, die Turnhalle sanieren und eine Markthalle darin einrichten, Parkplätze schaffen, damit man in der Mitte auch ankommen kann, dann könnte die Mühlenfeldstraße wieder so werden wie sie war. Jens Lütjen: Da wird ein Schuh draus, wenn man sagt, dass der Impuls Sportplatz genutzt wird, um die emotionale Mitte im Umfeld der Dampf- mühle und Mühlenfeldstraße zu finalisieren. Christiane Specht: Um die modernen Leute hierher zu bekommen, muss ich irgendwie die Infrastruktur schaffen. Die Kaufentscheidung ist immer wieder: Lage, Lage, Lage. Da kann die Bude aussehen, wie sie will. Da kann man eine wirklich alte Bude kaufen, ob es jetzt ein 70er-Jahre- Haus ist oder ein alter denkmalgeschützter Hof. Wir selbst haben als ganz junge Familie in einem umgebauten Bauernhaus von Herrn Buse gewohnt. Die holt man nur hierher, wenn die Infrastruktur am Ende stimmt. Bettina Reipschläger: Wir haben hier ja alles: Die Sportvereine, die Kin- der brauchen theoretisch die ersten Jahre den Stadtteil nicht zu verlassen. “Fast die Hälfte der Bundes- bürger wür- de gerne in einem Denk- mal leben” Marion Schoene